19. Mai, 2016 von Vagabundo
Starten wir doch einmal jenseits des Tangos, in den Wirren der Mainstream-Popkultur, zu Beginn des frischen Jahrtausends.
Das Filmmusical „Moulin Rouge“ von Baz Luhrmann aus dem Jahre 200 stellt in das Zentrum der Handlung weder den Tango, noch wird ein historisches Bild der Bohème gezeichnet. Aber wer dies erwartet hätte, würde wahrscheinlich auch aus dem veränderten Farbkonzept von Mc Donald‘s auf gesunde Ernährung schließen.
Moulin Rouge ist ein schwelgendes, opulentes Pop-Machwerk, ein Bonbonladen von szenischen Details, eine knallbunte Klischeecollage um Paris, Montmarte und dessen illustre Gesellschaft zur Jahrhundertwende. Über allem schwebt, als flatterndes Banner der Bohème, die Philosophie beauty, freedom, truth and love. Der einsame, junge Protagonist (Ewan McGregor) mit (natürlich) Schriftstellerambitionen mietet sich die obligatorische Dachmansarde, startet mit einer respektablen Schreibblockade aus Mangel an Liebeserfahrungen und stolpert zunächst in die Arme des Bohèmekreises um Toulouse Lautrec und anschließend der Kurtisane Satine (Nicole Kidman). Allerlei Verwirrungen und Eifersüchteleien, das frisch verfasste Bühnenstück wiederholt sich in der Filmrealität: Dramen, Wollust, Tod und Trallala. Übrig bleibt der Protagonist, an Liebeserfahrung gewachsen, bereit sein Buch zu schreiben (Spoiler-Ende, hups).
Die Bohemians selbst sind ein putziger, chaotischer Freigeisterhaufen um Lautrec. Das gesamte Ensemble ist den Originalbildern in Detailverliebtheit nachempfunden (selbst der tanzende Chocolat aus dem gleichnamigen Bild findet sich im Film wieder). Die Grüne Fee des Absinths umschwirrt das Partyensemble in Form von Kylie Minogue. Und so entbrennen die klassischen Konflikte im Kampf mit dem Antagonisten, dem Duke (Richard Roxburgh): Kunst gegen Kommerz, käufliche gegen wahre Liebe, Freiheit gegen Käuflichkeit. Dazwischen als Bindeglied hin- und hergerissen Harold Ziedler (Jim Broadbent) als Moulin-Rouge-Besitzer.
Und der Tango? Wie schon oben erwähnt, spielt er keine zentrale Rolle und doch verbinden viele die berühmte Szene Tango de la Roxanne wie keine andere mit diesem Film. Jacek Koman (Sänger u.a. bei VulgarGrad) treibt mit seinem rau-romantischen Gesang das Crossover aus Roxanne von The Police und dem Original Tanguera von Mariano Mores (bis heute glauben einige Tänzer, der alte Tanguera-Tango wäre Roxanne nachkomponiert) in eine düstere Choreografie der Eifersucht. Eine stilprägende Szene, die - ähnlich des Pacino-Tangos in Der Duft der Frauen zur Kaffeehausversion von Por una cabeza - auf ewig Spuren in der Mediencollage des Mainstream hinterlassen und manche erst zum Tanze gebracht hat.
Doch auch, wenn der Film noch so viel Blingbling und Kitsch aufweist, so ist er voll von Spuren, kleinsten Requisiten, die man manchmal erst beim fünften Schauen entdeckt und (in) anderen Bildern, Büchern und Filmen entliehen, wiederfindet. Inhaltlich sind die Bezüge zu Orpheus in der Unterwelt, La Traviata und auch natürlich La Bohème an jeder Ecke zu erhaschen. Und nach Jahren der Vergessenheit lohnt sich auf jeden Fall noch einmal ein Wiedersehen.
Und aus alledem, so lernen wir: the greatest thing you’ll ever learn, is just to love and be loved in return.
Hier findet der gewogene Leser einen Link zum Trailer.
Eine vagabunte Woche wünscht Der Vagabundo